Lord Of The Lost feiern ihren Sieg beim beim ESC-Vorentscheid. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rolf Vennenbernd/dpa)

Dunkelroter Rock: Lord Of The Lost fahren zum ESC

Diesmal wird es beim Grand Prix laut und ein bisschen düster: Deutschland schickt die Rockband Lord Of The Lost zum Eurovision Song Contest (ESC) 2023. Die Hamburger Gruppe, die mit blutroten Outfits, viel Schminke und noch mehr Dezibel auftrat, gewann in der Nacht zum Samstag den ESC-Vorentscheid in Köln.

Die Band verdankte ihr Ticket zum ESC-Finale, das am 13. Mai in Großbritannien ausgetragen wird, vor allem dem Publikum. Es katapultierte die Rocker am Ende der ARD-Show «Unser Lied für Liverpool» an allen anderen Bewerbern vorbei auf den ersten Platz. Publikums- und Jurystimmen machten je 50 Prozent aus.

Die Band tritt mit dem Lied «Blood & Glitter» an – übersetzt «Blut und Glitzer». Entsprechend sah der Auftritt aus. Knalliges Rot dominierte, dazu funkelte und glitzerte es. Sänger Chris Harms holte brachial alles aus seiner Stimme raus. Die Band, die Anfang des Jahres ein Nummer-eins-Album hatte, lässt sich dem Dark Rock zurechnen, vielleicht auch dem Heavy Metal. Unter anderem begleitete sie schon die Metal-Koryphäen Iron Maiden durch Europa.

Bands aus einem ähnlichen Spektrum haben beim ESC bisweilen gut abgeschnitten – so gewannen etwa Lordi aus Finnland (2006) oder Måneskin aus Italien (2021).

Mehr Glamour

Für Deutschland – das Land, das einst Mary Roos oder Katja Ebstein und oft was von Ralph Siegel entsandte – ist es eine ungewöhnliche Wahl. In den vergangenen Jahren schickte die Bundesrepublik meist geschmeidige Pop-Nummern zum ESC. Allerdings mit verheerenden Folgen: Seit 2015 hagelte es letzte oder vorletzte Plätze. Einzige Ausnahme war 2018 der Musiker Michael Schulte, der einen vierten Platz holte.

Lord-Of-The-Lost-Sänger Harms kündigte an, dass man bei der Bühnen-Show nun «natürlich noch mal einen drauflegen» werde. «Unsere Designerin ist gerade hochschwanger. Ich weiß nicht, ob sie es jetzt noch schafft, uns etwas zu nähen. Aber ich würde gerne das alles noch größer, noch glamouröser machen», sagte er. Dennoch: Es werde eine «Rock-Show» bleiben – ohne Tänzer oder aufwendige Choreo. Toll wäre aber zum Beispiel ein roter Pyro-Regen, meinte Harms.

Austragungsort des ESC-Finale ist in diesem Jahr Liverpool. Großbritannien springt 2023 als ESC-Gastgeberland für die von Russland angegriffene Ukraine ein, die den Wettbewerb 2022 in Turin gewonnen hatte.

Grand-Prix-Kommentator ist zuversichtlich

Der langjährige Grand-Prix-Kommentator Peter Urban glaubt nach eigenen Worten an ein gutes Abschneiden von Lord Of The Lost. «Dieser Glam-Auftritt sollte Deutschland in Liverpool einen soliden Platz sichern», erklärte er auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Als knapp gescheitert konnten beim deutschen Vorentscheid der Singer-Songwriter Will Church und der Party-Sänger Ikke Hüftgold gelten. Church hatte bei dem Jury-Votum noch weit vorne gelegen, konnte dann aber nicht genügend Stimmen des Publikums einfahren.

Komplett umgekehrt war es bei Hüftgold, dessen Versuch, den deutschen Ballermann-Sound ganz Europa nahezubringen, mit einer Mischung aus Spannung und Verwunderung beobachtet worden war. Der Sänger, der im wahren Leben Matthias Distel heißt und als Produzent auch für den umstrittenen Sommerhit «Layla» («Sie ist schöner, jünger, geiler») verantwortlich war, wurde von den Jurys für seinen Song «Lied mit gutem Text» gnadenlos mit dem letzten Platz abgestraft. Das Publikum dagegen beförderte ihn am Ende noch auf die zweite Position, nur geschlagen von Lord Of The Lost.

Hüftgold zeigte sich danach durchaus kämpferisch. «Ich schreibe nächste Woche schon wieder den nächsten Song. Ihr glaubt doch nicht, dass ihr mich hier loswerdet», sagte er der dpa. «Ich überlege aber, ob ich das jetzt gemeinsam mit Ralph Siegel das nächste Mal mache.» Der Grand-Prix-Altmeister (Gewinner 1982 mit Nicole und «Ein bisschen Frieden») sagte dazu der dpa: «Das ist eine lustige Idee. Ich mag Matthias sehr gerne, und Ideen soll man ausreifen lassen.»

Von Jonas-Erik Schmidt, dpa

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