In «Tár» spielt Cate Blanchett eine Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker. Nina Hoss (l) verkörpert ihre Partnerin. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Cinzia Camela/LPS via ZUMA Press Wire/dpa)

Endspurt bei den Filmfestspielen Venedig – Wer gewinnt?

Eine Geschichte über die Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker, ein Coming-of-Age-Film über Kannibalen oder ein Drama um einen Mordprozess? Am Samstagabend wird bei den Filmfestspielen Venedig der Goldene Löwe vergeben. Einige Werke stehen in der Kritikergunst oben, einen klaren Favoriten gibt es allerdings nicht.

Auf viel positive Resonanz stieß etwa das Drama «Tár» von Regisseur Todd Field. Cate Blanchett steht im Vordergrund dieses Films über die fiktive erste Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker namens Lydia Tár. Diese hat alles erreicht, was man als Dirigentin schaffen kann. Um sich in der patriarchalen Klassikwelt zu behaupten, hat sie eine spröde Kompromisslosigkeit entwickelt. Doch dann gerät ihr Leben wegen Missbrauchsvorwürfen aus dem Ruder. Blanchett brilliert in der Rolle einer Frau, die meist kühl wirkt. Es sei denn, sie verbringt Zeit mit der Tochter ihrer Partnerin Sharon (Nina Hoss) – oder steht am Dirigentenpult.

Gut kam auch das Drama «Bones and All» von Luca Guadagnino mit Taylor Russell und Timothée Chalamet an. Der Film erzählt von zwei Außenseitern, die in ihrer Liebe zueinander eine Art Heimat finden. Doch obwohl es sich bei den Beiden um Kannibalen handelt, schafft es Guadagnino, aus «Bones and All» eine sensible Liebesgeschichte zu machen – obwohl es einige explizite Kannibalismus-Szenen gibt.

Am meisten zu lachen gab es wohl im Wettbewerbsfilm «The Banshees of Inisherin» von Martin McDonagh. Colin Farrell spielt in dieser schwarzen Komödie den Iren Pádraic, dessen bis dato bester Freund Colm (Brendan Gleeson) plötzlich und ohne Grund beschließt, ihre Freundschaft zu beenden. Völlig irritiert versucht Pádraic, die Freundschaft wieder aufleben zu lassen, und akzeptiert das Nein seines ehemaligen Freundes nicht. Dieser greift daraufhin zu drastischen Mitteln. Ein Film mit sehr individuellen Charakteren und voller amüsanter Dialoge.

Ein weiterer Publikumserfolg war der Film «Blonde». Regisseur Andrew Dominik hat aus der Biografie der Hollywood-Legende Marilyn Monroe einen fast dreistündigen, fieberhaften Film gemacht, der bei seiner Premiere am Donnerstagabend langen Applaus erhielt. Im Fokus steht Hauptdarstellerin Ana de Armas, die die vielen Traumata, die Monroe erleben musste, lebendig macht.

Unter Kritikern beliebt war wiederum das kunstvolle Drama «Saint Omer». Regisseurin Alice Diop erzählt darin von Rama (Kayije Kagame), einer Dozentin und Schriftstellerin, die einen Prozess gegen eine junge Frau verfolgt, die ihr Baby umgebracht haben soll. Rama will daraus ein Buchprojekt machen. Doch der Prozess gegen die senegalesisch-französische Angeklagte macht Rama emotional zu schaffen. Erinnerungen an die komplizierte Beziehung zu ihrer eigenen Mutter erschüttern sie. «Saint Omer» ist ein emotionales Drama über Mutterschaft und Rassismus. Diop wäre seit 1949 erst die siebte Frau, die den Goldenen Löwen gewinnt.

Aufmerksamkeit richtete sich am Freitag außerdem auf den im Iran inhaftierten Regisseur Jafar Panahi. Er ist mit seinem Film «No Bears» im Wettbewerb vertreten. Symbolisch wurde bei der Pressekonferenz zum Film ein Platz mit seinem Namensschild freigelassen. Vor der Premiere machten Filmschaffende und Künstler auf dem roten Teppich mit einem Flashmob auf die Situation Panahis und anderer Künstler aufmerksam. Jury-Präsidentin Julianne Moore trug ein Schild mit der Aufschrift: «Release Jafar Panahi».

In «No Bears» spielt der 62-Jährige sich selbst. Seit kurzem hält er sich im Film in einem kleinen iranischen Dorf in Grenznähe auf, sein Land darf er wegen einer Ausreisesperre nicht verlassen. Aus der Ferne dreht er via Videoschalte gemeinsam mit einem Team in der Türkei einen Film über ein Paar, das den Iran verlassen will. Neben dieser Geschichte, die weiter erzählt wird, geht es auch um die Geschehnisse im Dorf, dessen Bewohner Panahi seit kurzem ist. «No Bears» ist ein Drama, das die existenziellen Nöte vieler Iraner veranschaulicht – und gleichzeitig auch einige humorvolle Momente hat.

Panahi war im Juli festgenommen worden. Der mehrfach ausgezeichnete Filmemacher («Taxi Teheran») hatte in der Vergangenheit trotz Arbeitsverbot im Iran und Ausreisesperre mehrere Filme gedreht.

Weitere Beiträge, die Ihnen gefallen könnten: