Elke Büdenbender (l), Ehefrau von Bundespräsident Steinmeier, und Olena Selenska, Ehefrau des ukrainischen Präsidenten, sind Schirmherrinnen für das Projekt «Better Time Stories». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Gollnow/dpa)

Frankfurter Buchmesse im Zeichen der Ukraine

Für Olena Selenska, Frau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, ist es «ein kleiner Versuch, Wunden zu heilen.» Gemeinsam mit der deutschen First Lady Elke Büdenbender hat sie die Schirmherrschaft für ein Projekt übernommen, das am Samstag auf der Frankfurter Buchmesse offiziell für Deutschland und Österreich gestartet wurde: Better Time Stories verhilft geflüchteten ukrainischen Kindern zu einem Willkommenspaket mit fünf zweisprachigen Bilderbüchern zu Themen wie Trost, Liebe und Optimismus. Dazu werden auch Spenden gesammelt.

Für die Hörbuchversionen haben Selenska, Büdenbender sowie die österreichische First Lady Doris Schmidauer selbst jeweils ein Buch eingesprochen. Angehörige in der Ukraine können zudem mit Hilfe einer App die Geschichte aufnehmen. «Es ist schön, die Stimme eines geliebten Familienmitglieds in der Muttersprache zu hören und so ihre Nähe zu spüren», sagte Selenska. «Ich sehe es als einen ersten Schritt, um endlich wieder zusammen zu sein.»

«Ukrainische Kinder haben keine normale Kindheit mehr», betonte Selenska in Frankfurt. «Alte Rituale, wie das Vorlesen vor dem Zubettgehen, geben Kindern Heimat zurück und für eine halbe Stunde ein Gefühl der Geborgenheit.»

«Wissen nicht, was morgen oder übermorgen ist»

In Frankfurt verteilte sie gemeinsam mit Büdenbender die ersten Bücher an ukrainische Kinder, darunter an zwei kleine Jungen aus Butscha. Der Vater der Jungen ist als Offizier bei Kämpfen verletzt worden.

Selenska nutzte den Besuch in Frankfurt, um sich für die Unterstützung zu bedanken, die ihre geflüchteten Landsleute in Deutschland erfahren haben. «Ich bin überzeugt, dass Deutschland alles macht, dass unsere Flüchtlinge sich hier sicher fühlen.» Und sie betonte, die von Deutschland geleistete Hilfe, gerade im Bereich der Raketenabwehr, habe bereits jetzt zahlreiche ukrainische Leben gerettet. «Deutschland kann sehr stolz darauf sein», betonte sie am Abend auf einer Veranstaltung der Zeitschrift «Brigitte».

Auch am Samstag habe es in Kiew wieder Luftangriffe gegeben und ihre Gedanken seien bei ihren beiden Kindern, sagte sie. «Unser Planungshorizont ist vielleicht ein oder zwei Tage – wir wissen nicht, was morgen oder übermorgen ist.» Gleichzeitig setze eine gewisse Routine ein: «Das Herz rast nicht mehr so, wenn die Sirenen heulen. Wir gehen in den Luftschutzkeller.» Zugleich gebe es immer mehr Bekannte, die von den Auswirkungen betroffen seien. «Es tut jedes Mal weh wie beim ersten Mal», sagte Selenska über die Nachrichten über Tote und Verletzte, über die menschlichen Tragödien im Krieg.

Sie wolle nicht, dass ihre Kinder zu Opfern werden, sagte Selenska und beschrieb die Suche ihrer Familie nach Normalität trotz der Auswirkungen des Krieges – so habe etwa ihre Tochter mit dem Studium begonnen. «Wir sind ständig an anderen Orten, die Kinder haben den Vater selten gesehen, aber sie telefonieren täglich.»

Friedenspreisträger fordert Waffen

Serhij Zhadan, der am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird, wollte hingegen nicht nur Solidarität und freundliche Worte. «Wir brauchen Waffen», sagte er auf einer Diskussion mit der deutschen Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Das Interesse an der Ukraine ist groß bei den Buchmessebesuchern. Auf dem ukrainischen Gemeinschaftsstand herrscht durchgängig großer Besucherandrang. Es gibt bereits Stimmen, die die Ukraine als das «heimliche Gastland» dieser Buchmesse bezeichnen. «Stand with Ukraine» steht auf der Rückseite der in den ukrainischen Nationalfarben blau und gelb gestalteten Stühle des Stands. Er steht unter dem Motto «Beharrlichkeit der Existenz».

Wie bedroht die Existenz des Landes jenseits der EU-Grenze ist, macht auch ein Leuchtsignal auf dem Messestand in Frankfurt deutlich: Jedes Mal, wenn in einer ukrainischen Stadt Luftalarm herrscht, leuchtet es auf – und es leuchtet oft. Der Krieg in der Ukraine ist in solchen Momenten sehr nah.

Warnung vor Auslöschung ukrainischer Kultur

Beharrlichkeit und Selbstbehauptung – für Zhadan ist das nicht nur eine Frage des militärischen Kampfes. Er berichtete von Kulturveranstaltungen im ostukrainischen Charkiw in Luftschutzkellern – und davon, wie wichtig die Präsenz ukrainischer Kultur für Zivilisten und Soldaten gleichermaßen sei.

«Wenn die Ukraine verliert, wird es morgen keine ukrainische Sprache, Kultur, Musik oder Literatur mehr geben» warnte er. «Das (russisch-sowjetische) Imperium hat über Jahrzehnte das gleiche gemacht, hat versucht, unseren Kulturraum zu erobern und uns seine Narrative aufzuzwingen». Er sei nicht russophob und wolle auch keine Bücher von Puschkin oder Dostojewski verbrennen. «Aber wir haben das Recht, Subjekt zu sein. Das ist das, was Russland ständig negiert und leugnet.»

Klare Worte fand auch Claudia Roth: «Es ist nicht nur ein brutaler Angriffskrieg, es ist auch ein Krieg gegen die Kultur», erinnert sie an mehr als 500 bereits zerstörte Theater, Kirchen, Büchereien und andere Kultureinrichtungen in der Ukraine. Nie sei ihr das deutlicher geworden als bei einem Treffen mit der Leiterin der Bibliothek in Odessa, die sich um den Bestand ihrer fünf Millionen Bücher sorgte und gesagt habe: «Wenn diese Bücher verbrennen, verbrennt unser Gedächtnis.»

Von Eva Krafczyk, dpa

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