Der Podcaster Joe Rogan 2012 in Seattle. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Gregory Payan/AP/dpa)

Joe Rogan entschuldigt sich nach Rassismus-Vorwürfen

Die Kontroverse um den US-Podcaster Joe Rogan bei Spotify ist neu aufgeflammt: Nach der Debatte um falsche Informationen zum Coronavirus musste er sich nun für eine rassistische Wortwahl entschuldigen.

Der Musikstreaming-Marktführer Spotify entfernte inzwischen zahlreiche ältere Folgen von Rogans Podcast, hält aber an der Kooperation mit dem 54-Jährigen fest.

Den Stein ins Rollen brachte Grammy-Preisträgerin India Arie, die am Freitag einen Zusammenschnitt von Video-Fragmenten veröffentlichte, in denen Rogan rund zwei Dutzend Mal das «N-Wort» benutzte. Mit dem Begriff «N-Wort» wird eine rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Die gesellschaftliche Norm in den USA ist heute, dass Weiße das Wort unter keinen Umständen benutzen sollten. In dem Zusammenschnitt war auch zu sehen, wie Rogan eine hauptsächlich von Schwarzen bewohnte Gegend als «Planet der Affen» bezeichnete.

Am Samstag reagierte Rogan bei Instagram: «Ich mache dieses Video, um über das Bedauerlichste und Beschämendste zu reden, über das ich jemals öffentlich sprechen musste.» Er habe das «N-Wort» seit Jahren nicht mehr benutzt, rechtfertigte er sich. «Es ist kein Wort, das ich benutzen darf.» Er habe es nie benutzt, um rassistisch zu sein. «Aber wann immer du in einer Situation bist, in der du sagen musst: „Ich bin nicht rassistisch“, hast du es versaut. Und ich habe es eindeutig versaut.»

Spotify-Chef Daniel Ek schrieb in einer E-Mail an die Mitarbeiter, die unter anderem dem «Wall Street Journal» und dem Tech-Blog «The Verge» vorlag, man habe mit Rogan über die älteren Podcast-Folgen gesprochen. Danach habe er darum gebeten, sie zu entfernen. Laut der Website jremissing.com, die automatisch ihre Verfügbarkeit prüft, fehlen inzwischen 113 Folgen bei Spotify.

Rogan war zuletzt in die Schlagzeilen geraten, weil Musiker wie Neil Young und Joni Mitchell Spotify vorwarfen, in Podcasts Falschinformationen über das Coronavirus zu tolerieren und damit Menschenleben zu gefährden. Sie verwiesen dabei vor allem auf den populären Talk-Podcast von Rogan, der nach einem Exklusiv-Deal nur bei Spotify zu hören ist. Der Streaming-Dienst lockte Rogan Medienberichten zufolge einst mit 100 Millionen Dollar (aktuell 88,5 Mio Euro) an.

Das ist auch etwas, woran sich India Arie besonders störte. Die Erlöse von Spotify stammten hauptsächlich aus den Abo-Gebühren von Nutzern, die Musik hören wollten – und Songs schwarzer Künstler machten den Großteil der Streams aus, argumentierte sie. «Ihr nehmt also dieses Geld und investiert es in diesen Typen?» Und das auch noch, während die Musiker Bruchteile von Penny-Beträgen pro Stream bekämen, kritisierte die Künstlerin. «Bezahlt uns!»

Ek kündigte in seiner Mail an, Spotify wolle nun 100 Millionen Dollar in Musik und andere Audioinhalte von Bevölkerungsgruppen investieren, die ausgegrenzt worden seien. Er verurteilte Rogans Äußerungen und betonte, dass sie nicht den Werten von Spotify entsprächen. Zugleich bekräftigte Ek abermals, dass sich der Dienst als Plattform und nicht als Publisher sehe. Nach dieser Definition trägt Spotify keine redaktionelle Verantwortung für die veröffentlichten Beiträge – anders als etwa ein Medienhaus. Diese Position wurde zuletzt unter Verweis auf Rogans Exklusiv-Deal mit Spotify kritisiert.

Er glaube nicht, dass «Joe zum Schweigen zu bringen die Antwort ist», schrieb Ek. «Wir sollten klare Richtlinien zu Inhalten haben und einschreiten, wenn sie überschritten werden – aber Stimmen stummzuschalten ist ein gefährlicher Weg.»

Spotify hat auch wirtschaftliche Gründe, an Rogan festzuhalten. Traditionell waren Podcasts an verschiedensten Orten abrufbar, nachdem das Genre mit der Verbreitung von Apples iPod-Musikplayern populär wurde (daher stammt auch der Name). Ek setzte jedoch vor Jahren dazu an, Spotify mit Investitionen von mehreren hundert Millionen Dollar zu einer Art Podcast-Supermacht zu machen. Er gab Geld unter anderem für Plattformen zur Produktion und zum Vertrieb von Podcasts aus – sowie für Exklusiv-Verträge mit prominenten Podcastern.

Dahinter steckt das Ziel, die Position von Spotify als Nummer eins nicht nur bei Musik aus dem Netz, sondern auch bei Audioinhalten jeder Art zu zementieren. Das Musik-Angebot ist bei allen Streaming-Diensten ungefähr gleich. Wenn es aber populäre Podcaster nur an einem Ort zu hören gibt, kann man sich von der Konkurrenz abheben und auf eine Sogwirkung hoffen. Auch wenn es darum geht, die Spotify-App etwa in Autos von Tesla zu kriegen, macht es die Verhandlungen leichter.

Bisher ging die Rechnung für Spotify auf: Rogan war im vergangenen Jahr der meistgehörte Podcaster, unter anderem auch im wichtigen Markt USA, wie das «Wall Street Journal» unter Berufung auf informierte Personen berichtete. Der Dienst ist nach wie vor die klare Nummer eins im Musikstreaming-Geschäft mit zuletzt 406 Millionen Nutzern, von denen 180 Millionen zahlende Abo-Kunden sind.

Von Andrej Sokolow und Lukas Dubro, dpa

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