Paddington, der Bär, und sein Erfinder Michael Bond, der 2017 gestorben ist. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Edmond Terakopian/PA Wire/dpa)

65 Jahre Paddington – der Bär, dem die Briten vertrauen

Roter Hut, blauer Dufflecoat, klein von Wuchs. Gestatten, Paddington. Seit 65 Jahren erfreut der wohl berühmteste Bär von Großbritannien die Menschen im Königreich. Am 13. Oktober 1958 erschien «A Bear Called Paddington» von Autor Michael Bond, das Buch hieß auf Deutsch dann «Unser kleiner Bär». Schon seit langem ist Paddington weltberühmt. Spätestens mit dem Tod von Queen Elizabeth II. aber ist er ein Nationalsymbol geworden – obwohl er nicht einmal Brite ist.

Tatsächlich stammt Paddington aus dem «dunkelsten Peru». Ein Migrant also, und noch dazu einer, der nach eigenen Worten in einem Rettungsboot an Land gekommen ist. In der aufgeheizten Debatte um irreguläre Migration über den Ärmelkanal droht Paddington zur Streitfigur zu werden. Die regierenden Konservativen von Premierminister Rishi Sunak hätten den Bären gleich abgeschoben, betonen Kritiker. Anhänger der Tories hingegen loben Paddington als Musterbeispiel für gelungene Integration. «Nicht alle Migranten sprechen fließend Englisch mit vornehmem Akzent, noch waren sie ihr Leben lang besessen von der britischen Kultur, noch legen sie ihren richtigen Namen bereitwillig ab, weil er für Engländer zu schwer zu verstehen ist», kommentierte die Zeitschrift «GQ» einmal.

Ein ganz anderes Vorbild

Dabei hatte Bond doch ein ganz anderes Vorbild vor Augen, als er den kleinen Bären nur gut ein Jahrzehnt nach Ende des Zweiten Weltkriegs schuf. Er erinnerte sich an die Kinder, die aus Angst vor deutschen Luftangriffen aufs Land geschickt worden waren. Dabei hatten sie oft Zettel mit ihren Namen oder Botschaften an der Kleidung – so wie Paddington. Als die Familie Brown ihn findet, hängt eine Notiz an der Jacke: «Bitte passen Sie auf diesen Bären auf. Vielen Dank.» Ein Bär ist es, weil Bond einmal seiner Frau einen Teddy mitbrachte, der verlassen auf einem Regal gesessen hatte, ganz in der Nähe des Bahnhofs, nach dem sein Star getauft ist.

Rasch adaptiert sich Paddington an das Leben mit der Mittelstandsfamilie Brown, freundet sich mit den Ladenbesitzern der Umgebung an. Überaus korrekt und höflich – nie würde er es wagen, einen Erwachsenen mit Vornamen anzusprechen, wie es heute in Großbritannien meist Sitte ist -, gewinnt Paddington alle Herzen für sich. Klar, er ist überaus tollpatschig und löst deshalb überall Chaos aus. Aber das verzeihen ihm alle schnell dank seiner Liebenswürdigkeit (mit Ausnahme des bösen Nachbarn Mr Curry, aber der hat stets das Nachsehen). Und zum Schluss vertilgt der Bär dann seine Lieblingsspeise – ein Marmeladenbrot.

Eine Tasse Tee mit der Queen

Zahlreiche Bücher, mehrere TV-Serien, zwei erfolgreiche Filme, ein dritter ist derzeit in der Mache. Dazu Briefmarken, allein in London zwei Statuen, davon eine auf Gleis 1 «seines» Bahnhofs: Paddington ist längst ein Star. Zuletzt nahm sein Ruhm aber noch weiter zu. Zum 70. Thronjubiläum der Queen trank die echte Königin mit dem animierten Bären Tee. Natürlich lief das nicht nach dem königlichen Etikett ab. Doch gerade das gefiel den Menschen, vor allem weil die Königin Humor zeigte und selbst ein Marmeladenbrot aus ihrer legendären Handtasche holte.

Gerührt waren sie aber, als Paddington dann offensichtlich im Namen aller der Queen sagte: «Danke, Madam. Für alles.» Als Elizabeth wenige Monate später starb, legten die Trauernden nicht nur Blumen an ihren Residenzen ab. Es fanden sich so viele Paddington-Figuren und Marmeladenbrote, dass die Verwaltung der königlichen Parks öffentlich darum bat, auf die Gaben zu verzichten.

Ob als Vorzeige-Migrant, der die «Britishness» mit ihrer überkorrekten Höflichkeit befolgt oder als multikultureller Repräsentant mit liberalen Werten – Paddingtons Erfolg könnte auch darin liegen, dass er für alle Menschen etwas bietet. Oder wie es die Autorin Darshita Goyal nach den Trauerfeiern für die Queen schrieb: «Jetzt ist Paddington Brown kein Bär mehr – er ist eine weiße Leinwand, auf die wir unsere Sorgen über die Zukunft Großbritanniens projizieren.»

Von Benedikt von Imhoff, dpa

Weitere Beiträge, die Ihnen gefallen könnten: