Jesus (Frederik Mayet) teilt das Brot. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Angelika Warmuth/dpa)

Appelle gegen Gewalt und Krieg zum Start der Passionsspiele

Mit Friedensappellen der katholischen und evangelischen Kirche sind die Passionsspiele in Oberammergau eröffnet worden.

«Gewalt hat nicht das letzte Wort, Macht hat nicht das letzte Wort», sagte der katholische Kardinal und Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, nach einem Gottesdienst kurz vor der Premiere. Die Leidensgeschichte Jesu beinhalte eine faszinierende Botschaft der Überwindung der Gewalt, der Heilung der Welt, der Hoffnung für die Menschen.

Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hatte zuvor in einer gemeinsamen Predigt mit Marx gesagt: «Man kann die Passionsspiele in diesen Tagen jedenfalls nicht einfach nur als Historienspiel sehen. Viel zu sehr stehen die Passionen der Menschen heute direkt vor Augen.»

Er verwies dabei auf Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten wie in der Ukraine oder dem Jemen. «Gewalt ist immer eine Niederlage», sagte Bedford-Strohm. «Waffen können nie Frieden schaffen.» Zugleich könne man aber nicht zusehen, wenn Menschen der brutalen Gewalt eines Aggressors schutzlos ausgeliefert seien und am Ende nur das Recht des Stärkeren stehe.

Wegen Corona verschoben

Nach zwölf Jahren ist Oberammergau wieder Schauplatz der Passionsspiele. Am Samstagnachmittag hat in dem oberbayerischen Alpendorf die mehr als fünfstündige Premierenvorstellung mit rund 4400 geladenen Gästen begonnen.

Einem Pestgelübde aus dem Jahr 1633 folgend zeigt der Ort normalerweise alle zehn Jahre «das Spiel vom Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus». Wegen der Pandemie war die eigentlich für 2020 angesetzte Passion um zwei Jahre verschoben worden.

Spielleiter Stückl, der die Passion zum vierten Mal inszeniert, beschreibt sich als katholisch sozialisiert, hadert aber mit der Kirche. Er habe sich nach dem Missbrauchsgutachten «zu dem Gottesdienst durchgerungen, weil es Leute im Ort gibt, denen das wichtig ist», sagte er dem «Spiegel». Oberammergau gehört zum Erzbistum München und Freising, das im Januar mit einem Missbrauchsgutachten für Entsetzen gesorgt hatte.

«Die größte Geschichte aller Zeiten»

Die Oberammergauer Passionsspiele brächten «die größte Geschichte aller Zeiten» auf die Bühne, sagte Marx. Die Leidensgeschichte Jesu sei die «große Einladung, die Welt mit den Augen des Mannes aus Nazareth zu betrachten». Die Welt aus dem Blickwinkel Jesu zu betrachten, bedeute, «dass Ausgrenzung nicht möglich ist und Gewalt nicht möglich ist».

Im Anschluss an die Predigt stimmte der Chor das «Schma Israel» an, eines der wichtigsten Gebete der Juden. Den Friedensgruß gab es auf Hebräisch, Ukrainisch und Deutsch.

Stückl hat das Stück grundlegend modernisiert und von christlichen Anti-Judaismen befreit. Er bringt viele jüdische Elemente rein und zeigt damit, dass Jesus gläubiger Jude war und der Konflikt um ihn ein innerjüdischer.

Insgesamt 2100 der rund 5200 Einwohner Oberammergaus wirken an der traditionsreichen Aufführung mit. Auch rund 450 Kinder sind dabei, unter ihnen Geflüchtete. Bei den Erwachsenen darf nur spielen, wer im Ort geboren ist oder seit 20 Jahren dort lebt. Erstmals hat Stückl zudem zwei Oberammergauern muslimischen Glaubens Hauptrollen gegeben, die des Judas und des Nikodemus. Bei den gut 100 Vorstellungen bis 2. Oktober werden bis zu 450.000 Zuschauer erwartet.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wertet die Passionsspiele als «weltweit einmaliges Ereignis christlicher Kulturgeschichte». «In schwerer Zeit wird die Passion dieses Jahr besonders eindrücklich werden», sagte er.

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