Der Entertainer Thomas Gottschalk kommt zur Premiere der Bayreuther Festspiele (2018). Auch diesmal hat er sich angekündigt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Matthias Balk/dpa)

Sexismusvorwürfe bei den Bayreuther Festspielen

Alle Corona-Hindernisse schienen beseitigt am Grünen Hügel zu Bayreuth, eine Festspielsaison der Superlative stand bevor – doch nun sind Sexismusvorwürfe bekannt geworden, die das Festival erschüttern: Der «Nordbayerische Kurier» berichtet von körperlichen Übergriffen auf Frauen, von Beleidigungen und sexistischen Sprüchen.

Das weltberühmte Bayreuther Festspielhaus – ein Ort, an dem Frauen gegen ihren Willen angefasst werden, Anmach-Sprüche aushalten müssen und aufdringliche SMS-Nachrichten bekommen?

«Wir werden den Vorwürfen umgehend nachgehen und bitten Betroffene, sich direkt bei der Geschäftsführung zu melden», sagt Festspielsprecher Hubertus Herrmann. «Es werden keinerlei Beleidigungen oder tätliche Übergriffe geduldet.» Die Berichterstattung habe die Festspielleitung «sehr bewegt und tatsächlich überrascht, da betriebsintern keine Informationen zu eventuellen Übergriffen bekannt sind».

Auch Festspielchefin Katharina Wagner betroffen

Laut «Kurier» ist auch Festspielchefin Katharina Wagner selbst betroffen und bestätigte dies auch dem Blatt.

Die ungetrübte Vorfreude auf vier Wochen Festspielzeit in Bayreuth ist jedenfalls dahin. Dabei sollte es eine Saison der Superlative werden. Gleich fünf Neuproduktionen stehen auf dem Programm, neben dem vierteiligen «Ring des Nibelungen» eröffnen die Festspiele am Montag (25. Juli) mit einer Neuinszenierung von «Tristan und Isolde»: Es gibt in diesem Jahr so viel Neues zu sehen wie noch nie in der Geschichte des Opernspektakels. Fünf neue Opern auf einen Streich.

Und auch das könnte noch schief gehen. Denn Corona hat bereits jetzt für mächtig Wirbel bei den Richard-Wagner-Festspielen gesorgt. Von zahlreichen Infektionen im Team ist die Rede, eine davon so heftig, dass sie Planungen durcheinanderwirbelt: Pietari Inkinen, musikalischer Leiter des vierteiligen «Rings», ist so schwer erkrankt, dass er kurz vor der Premiere aufgeben musste. Und wer weiß schon, bei welchem Mitwirkenden die Viren noch zuschlagen, allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz?

Noch Karten im Online-Shop

«Corona ist leider wieder deutlich präsenter, als wir es alle für diesen Sommer erwartet hatten», sagt Wagner der Deutschen Presse-Agentur. «Corona hat leider auch zu Publikumsschwund geführt, viele Häuser bemerken dies mit einem starken Rückgang auch im Bereich der Abonnenten. Wir sind sehr glücklich, quasi ausverkauft zu sein.»

Trotzdem gab es – auch das dürfte ein Novum in der Festspielgeschichte sein – kurz vor Festspielstart im Online-Shop noch Tickets für so ziemlich jede der Inszenierungen, sogar für die Eröffnungspremiere mit dem «Tristan». Rückläufer seien das gewesen, heißt es. Inzwischen gehen die Festspiele aber davon aus, ausverkauft zu sein, wie es Tradition ist auf dem Grünen Hügel. Allerdings gibt es wegen Umbaumaßnahmen in diesem Jahr rund 200 Plätze weniger als üblicherweise.

Einer, dem Corona in diesem Jahr in die Karten gespielt hat, ist Cornelius Meister. Denn er ist nach Inkinens Ausfall unverhofft zum Dirigenten des neuen «Ring» geworden – einem Spektakel, das weltweit Beachtung finden wird. Bei der «Tristan»-Premiere am Montag soll für ihn nun Markus Poschner am Pult stehen.

Alle Augen auf Valentin Schwarz

Den neuen «Tristan» hatte Festspiel-Chefin Katharina Wagner quasi in letzter Minute, erst im Dezember bei Regisseur Roland Schwab in Auftrag gegeben – aus Angst, Corona-Erkrankungen im Chor könnten die großen Chor-Opern «Lohengrin», «Holländer» und «Tannhäuser» kurzfristig vom Spielplan fegen.

Alle Augen ruhen aber dennoch auf «Ring»-Regisseur Valentin Schwarz, der das Mammutwerk mit einer Art «Netflix»-Serie verglichen hat. «Es geht hier nicht um die Ästhetik einer Fernsehserie. Was ich mit Netflix beschreiben wollte, das ist diese intensive Seh-Erfahrung, die man in Bayreuth hat», sagte er dem «Münchner Merkur». «In einer Woche alles hintereinander anschauen, das erinnert mich tatsächlich an Binge Watching. Die andere Parallele: Wir haben hier ein Familienepos, in dem wir alle Figuren über Jahre hinweg begleiten dürfen.» Nach dem bildgewaltigen, aber von vielen als nicht genug durchdacht kritisierten «Ring» von Frank Castorf wird mit Spannung erwartet, wie sich der junge Regisseur Schwarz schlägt.

Christian Thielemann steht in der Kritik

In der Kritik steht laut «Nordbayerischem Kurier» auch der frühere Musikdirektor der Festspiele, Christian Thielemann. Er soll Musiker angeschrien und beleidigt haben – ein Vorwurf, den der Star-Dirigent vehement zurückweist: «Da ist überhaupt nichts dran», sagte er der dpa und sprach von einem «Missverständnis».

Auf eines immerhin ist Verlass in diesen unsicheren Zeiten für das Festival: Angela Merkel wird auch in diesem Jahr wieder da sein. Als Bundeskanzlerin läutete sie traditionell ihre Ferien mit einem Bayreuth-Besuch ein, blieb oftmals sogar ein paar Tage länger, um abseits des Eröffnungs-Trubels Wagners Musikdramen und die fränkische Landschaft genießen zu können. Nun kommt sie auch als Kanzlerin a.D. gemeinsam mit Ehemann Joachim Sauer nach Bayreuth. Ihr Nachfolger Olaf Scholz reist nicht an.

Dafür steht Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) auf der Gästeliste – ebenso wie Bayreuth-Stammgast Thomas Gottschalk und «Tatort»-Kommissar Udo Wachtveitl. Als internationalen Gast hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den albanischen Premierminister Edi Rama eingeladen.

Von Kathrin Zeilmann und Britta Schultejans, dpa

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