Models applaudieren, als die britische Modedesignerin Vivienne Westwood nach der Präsentation ihrer Frühjahr/Sommer-Kollektion 2006 in Paris das Publikum grüßt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Michel Euler/AP/dpa)

Vivienne Westwood: Rebellische Modeikone und Klimakämpferin

Das politische Statement gehörte fest zur Mode von Vivienne Westwood – gelegentlich zum Leidwesen von Ehemann und Co-Designer Andreas Kronthaler. «Sie mag es, wenn die Kleidung eine Botschaft hat», sagte der Österreicher in dem Westwood-Dokumentarfilm von Regisseurin Lorna Tucker. Rund 30 Jahre war die Britin mit dem 25 Jahre jüngeren Mann, ihrem ehemaligen Modestudenten, verheiratet. Am Donnerstag nun ist die Königin des Punk, wie sie in Großbritannien anerkennend genannt wurde, im Alter von 81 Jahren gestorben.

Der Rückblick auf ihre Lebensgeschichte und ihre Karriere scheint Westwood ein Graus gewesen zu sein. «Müssen wir das alles besprechen?», meckerte sie in der sehenswerten Doku «Westwood: Punk, Icon, Activist», die 2018 Premiere hatte. «Das ist so langweilig.» Dabei war kaum etwas in Westwoods Leben langweilig. Die Mode-Anarchistin und Aktivistin sorgte zeitlebens mit provokanten Botschaften und schrillen Outfits für Aufsehen. Ihre ganze Karriere fußte auf von Königsroben inspirierten, ausgeflippten Prachtkleidern, die ihr zum Durchbruch verhalfen. Ihr Name stand für die sprichwörtliche englische Exzentrik.

Lebensstationen

Ein bisschen ausgefallen war die Tochter eines Baumwollspinners und Kolonialwarenhändlers aus der englischen Grafschaft Derbyshire schon immer gewesen. Geboren am 8. April 1941 als Vivienne Isabel Swire in Tintwistle nahe Manchester, soll sie sogar an ihrer Schuluniform modische Änderungen vorgenommen haben. Das brave Dasein war nichts für sie. Mit 21 Jahren heiratete sie den begnadeten Tänzer Derek Westwood, mit dem sie einen Sohn bekam, den Fotografen Ben Westwood.

Doch dann lernte sie den Kunststudenten Malcolm McLaren kennen, Gründer und Manager der Punk-Band Sex Pistols. Westwoods Weg war geebnet. Zusammen mit McLaren eröffnete sie 1970 auf der Londoner King’s Road ihre erste Boutique. Schnell entwickelte sich der Laden zum Herz der jungen Punkszene. Der Name wechselte wie die Mode: «Let it rock», «Too fast to live, too young to die», «Sex», «Seditionaries» (Aufwiegler) und schließlich «World’s end».

Westwood kreierte die ersten Outfits für Johnny Rotten und Co. mit Sicherheitsnadeln, Netzhemden und Nietenarmbändern – und erschuf damit den ikonischen Punk-Look. Auch nach der Trennung von McLaren, mit dem sie ebenfalls einen Sohn hat – Joseph Corre, den Mitgründer der Dessousmarke Agent Provocateur -, blieb sie ihrer rebellischen Kreativität treu. Vor allem die Inspiration aus der Mode des 18. und 19. Jahrhunderts war ihr Markenzeichen – allerdings in schrillen, schrägen, exzentrischen Varianten.

«Ich habe mich überhaupt nicht als Modedesignerin betrachtet, aber ich habe festgestellt, dass ich sehr talentiert war», erzählt Westwood in Tuckers Dokumentation. «Ich wollte, dass die Leute wissen, dass das Zeug, was sie auf dem Laufsteg in Paris sehen, von mir kommt. Und ich hab mir gedacht, ich muss in diese Geschäftswelt einsteigen und die Kleidung wirklich verkaufen, sie den Journalisten präsentieren und eine Modedesignerin sein. Mir war klar, dass ich das kann.»

Mode und Menschenrechte

Mode allein war Westwood nie genug. Ohnehin hatte sie eine Karriere in der Branche ursprünglich gar nicht im Sinn. «Ich wollte keine Modedesignerin sein», stellte sie 2009 im «Time»-Magazin klar. «Ich wollte lieber lesen und intellektuelle Dinge machen.» Ein Kunststudium brach sie nach nur einem Semester ab, um eine Ausbildung zur Lehrerin zu machen – mit Kunst als Hauptfach. Ihr Plan: «Ich werde versuchen, Künstlerin zu werden. Und wenn ich keine Künstlerin sein kann, werde ich Lehrerin.»

Lange engagierte sich die Punk-Pionierin mit der blassfahlen Haut für Menschenrechte, Frieden, Tierschutz und im Kampf gegen die Klimakrise. Die große Show gehörte stets dazu, wenn sich Westwood inszenierte, denn sie garantierte ihr Aufmerksamkeit. 2015 ließ sie sich in einem weißen Panzer zum Privathaus des damaligen britischen Premiers David Cameron fahren, um gegen Gasgewinnung durch Fracking zu protestieren. Noch im vergangenen Jahr sorgte sie mit einem Protest für die Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange für Aufsehen: Im knallgelben Outfit saß sie vor einem Gerichtsgebäude in London in einem überdimensionalen Vogelkäfig.

Nachdem Westwood in der Heimat anfangs belächelt und im Fernsehen noch in den späten 1980ern sogar ausgelacht worden war, wurde sie 1990 und 1991 als Britische Designerin des Jahres ausgezeichnet. 2006 wurde sie von Queen Elizabeth II. geadelt. Während Dame Vivienne, so ihr offizieller Titel, im Herzen immer noch Punk war, gehörte ihre Mode längst zum Establishment. Queen-Enkelin Prinzessin Eugenie erschien zur Hochzeit von William und Kate 2011 in einem Westwood-Kleid. Selbst die frühere Premierministerin Theresa May trug einen Hosenanzug von ihr. Hof-Modeschöpferin der Royals wurde sie trotzdem nicht. Der Stil-Ikone Herzogin Kate empfahl sie eine Reduzierung der Zahl ihrer Outfits – aus Gründen des Umweltschutzes.

Von Benedikt von Imhoff und Philip Dethlefs, dpa

Weitere Beiträge, die Ihnen gefallen könnten: